Neubau LAK Pflegeheim St. Peter und Paul Mauren

Stiftung Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe LAK

9493 Mauren, FL

Pflege/Gesundheit

2015

2. Preis EU-weiter Wettbewerb

      • Laissez-faire
        oder:
        ”wofür es sich zu leben lohnt”

        Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
        Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
        Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
        Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
        Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
        Träum ich nach ihren helleren Geschicken
        Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
        So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
        Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
        ……………………
        ” Der Verfall” - Georg Trakl März - 1909

        Die gegenwärtige und historische Struktur von Mauren besteht aus einer Vielzahl von gestalterisch unterschiedlichsten gut vernetzten Außenräumen. Die Porosität dieser dörflichen Orte entsteht und gewinnt erst durch diese alles überlagernde Verflechtung. Das neue Pflegeheim ist hier, neben dem kommunalen Zentrum in unmittelbarer Nähe, integrativer Bestandteil dieses Gefüges. Mit einem ausgeprägten ortsräumlichen Bezug zur Kirche St. Peter und Paul ruht das neue Pflegeheim raumbildend und gut eingebettet in dieser öffentlichen Vertrautheit. Letztlich versteht es sich als ein weiteres Glied in einer Sequenz von Außenräumen, ein Einbeziehen in die vorhandene Topographie und die bauliche Körnung stehen im Vordergrund.
        Zwei zueinander versetzte in ihrer Höhe gegliederte Gebäude mit durchgrünten Atrien in deren Mitte prägen die Struktur der neuen Gesamtheit. Zwei Solitären gleich folgen sie der geneigten Topographie, schmiegen sich an sie und öffnen sich räumlich differenziert den umgebenden Landschaften. Diese Geste zwischen Gänsebach und Jugendweg im Osten schafft einen erlebbareren neuen öffentlichen Raum des ”Ankommens und Gehens”. Gesäumt von einem Dorfbrunnen, einem Duftgarten und den bestehenden Walnussbäumen entsteht ein gut überblickbarer kultivierter Vorbereich mit unterschiedlichen öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten und hohem Aufforderungscharakter. Eine großzügige Öffnung im Erdgeschoss des dreigeschossigen Gebäudeteils verbindet diesen Platz über die Cafeteria und den Mehrzweckraum mit dem intimeren durchgrünten Außenbereich im Südwesten, einem beinahe privaten Frucht- und Erlebnisgarten. Kapelle und Verwaltung flankieren diese Bereiche, gefolgt von Küche und Anlieferung im Norden. Wäscherei, Personal- und weitere dienende Räume befinden sich im Untergeschoß, ebenso die Tiefgarage. Die meisten dieser Funktionsbereiche sind auf Grund des leicht fallenden Geländes nach Süd-Westen über ein halbes Geschoss belichtet.

        Die Fuge zwischen dem zwei- und dreigeschossigen Gebäudeteil füllt die zentrale Erschließung, die von den Wohngruppen umschlossen wird. Im Erd-, im ersten und im zweiten Obergeschoss befindet sich ein 16er Wohnbereich, im ersten Obergeschoss ein großzügiger 12er Wohnbereich mit einem zum Vorplatz situierten „Garten der Demenz”.
        Der Entwurf der Wohnbereiche folgt im wesentlichen dem Wunsch des Betagten und Dementen nach Licht, Orientierbarkeit und Abwechslung. Die Erschließung einer Wohngemeinschaft folgt zentral. Man betritt ein kommunikatives, lichtdurchflutetes Raumkontinuum mit zahlreichen Ausblicken und Querverbindungen. Zentral am Eingangsbereich liegt auch der Pflegestützpunkt mit den dienenden Räumen. Von hier aus lassen sich die gemeinsamen Aufenthalts- und Bewegungsräume gut erfahren. Ähnlich einem Möbel sind diese gemeinsamen Zonen flexibel ausgestattet, sollen Anpassungen und Mehrfachnutzungen zulassen ohne die nach außen gerichtete Privatheit der Zimmer zu beeinträchtigen. Den Essbereichen mit vorgelagerter Terrasse, den Aufenthaltsbereichen und den Aktivierungsbereichen sind eindringliche Blicke auf die umgebenden Landschaften und besonders auf die Kirche St. Peter und Paul vorgelagert.

        ”Der Weg ist das Ziel” - Spaziergänge um die Patio sind begleitet von den zahlreichen Blicken zum Nachbarn – auch zur andern Wohngemeinschaft - und den verschiedensten Aktivitäten im Haus. Dieser halböffentliche Charakter wird durch die Flexibilität der Möblierung und des Ortes im Haus begünstigt.

      • Es ist ein unverschlossener Umgang mit Raum, der sich an die unterschiedlichsten Bedürfnisse im Tagesablauf der Bewohner anpassen lässt. Offenheit, Transparenz, kurze Wege und funktionelle Übersichtlichkeit schaffen Möglichkeitsräume, die Vertrautheit und Entspannung sowie Aktivität und sozialen Kontakt erlauben und die Vielfalt des Zusammenlebens zulassen. Die äußere Hülle wird von der Farbe des eisenoxidhaltigen Terrakottabetons und von der Struktur der vorgefertigten Holzelemente geprägt. Die inneren, warmen, haptische Materialen korrespondieren mit den äußeren. Durch die kompakte Gebäudeform und der Kombination von geringer Gebäudehülle und intelligenter Lüftungsanlage lässt sich dieses Gebäude energetisch gut betreiben. Die innere klassische Stahlbetonskelettbauweise und die vorgefertigten Außenwandelemente in Holzleichtbauweise unterstützen diese Absicht. Die hinterlüftete stehende Außenschalung wird nachhaltig aus Rift- und Halbriftbrettern der unbehandelten Weißtanne gebildet. Die in hohem Maß vorgefertigten geschoßhohen seriellen Außenwandelemente der Zimmer mit integrierten Fenstern ermöglichen eine schnelle Montage und eine kurze Bauzeit.

        aus dem Jurybericht

        "... Der Entwurf orientiert sich an der Struktur des umliegenden Wohnquartiers und überträgt diese in eine grössere Dimension. Der Vorplatz im Norden, zwei zueinander versetzte Baukörper und die südlich gelegene Gartenanlage ergänzen das vorhandene Gefüge logisch und präzise. Sie bilden attraktive, gut nutzbare Aussenräume, sowohl für Bewohner als auch für Besucher. Durch sinnvolle Positionierung des Gebäudes im Grundstück verbleibt ausreichend Spielraum für die Errichtung der geforderten Alterswohnungen. Das nach Südosten abfallende Gelände ermöglicht Teile des Kellergeschosses zu belichten und für Personalräume und Waschküche zu nutzen.   Durch die Gebäudeanordnung und sorgfältiges Eingehen auf die Topografie entsteht ein Ensemble, das sich als maßstäbliche, sinnvolle Ergänzung in die vorhandene Ortsstruktur einfügt. Das Projekt weist eine klare funktionale Zuordnung der äusseren Erschliessungen auf: Nordwestlich, entlang der Gänsenbach Strasse sind Zulieferung und Zufahrt zur Parkgarage gebündelt. Der entlang des Jugendwegs situierte Vorplatz bedient im Wesentlichen den ankommenden Besucher und bildet insgesamt eine einladende Ankunftssituation mit Bezug zum Dorfzentrum. Die großzügige Fläche wird klar zoniert in einen Parkierungsbereich sowie in einen verkehrsfreien Bereich als Entrée mit Aufenthaltsqualität. Auch innenräumlich erfährt diese  Grosszügigkeit ihre  Fortsetzung: Cafeteria, Mehrzweckraum mit vorgelagerter Terrasse und Garten schaffen Durchblicke und Bezüge einladend und die Orientierung erleichternd. So klar wie Aussenräume und Innenräume definiert und organisiert sind, so klar ist die architektonische Sprache: Zwei höhenversetzte Kuben, eine Komposition aus eisenoxidveredeltem Beton und eingefügten Holzelementen werden durch ein gläsernes Stiegenhaus als Gelenk verbunden. Dieses zusätzliche Element wird hierbei kritisch gesehen, da es die beiden kraftvoll materialisierten Gebäudeteile nicht zu einer Einheit zusammenzubinden vermag. Klarheit über die Ausformulierung wäre hier vonnöten, sodass, sowohl die Gesamtform, als auch die äussere, sowie die innere Gestaltung an Präzision gewinnt. Das Stiegenhaus befindet sich zwischen dem dreigeschossigen nordwestlichem und dem zweigeschossigem südöstlichem Trakt und erschliesst die einzelnen Pflegeabteilungen und den Allgemeinbereich. Die Stationen selbst sind grosszügig und übersichtlich organisiert, die Positionierung der Stützpunkte im Bereich der Stationszugänge wird positiv gesehen, allerdings sollten auch die Essbereiche unmittelbar einsehbar sein. Der klar angelegte Rundgang sowie der Patio zur Belichtung erleichtern die Orientierbarkeit der Wohnenden. Die unterschiedlichen Aufenthaltsbereiche schaffen räumliche Qualität und Abwechslung, der Essbereich sollte jedoch geschützter, als intimer Wohnbereich angelegt werden. Die Anordnung der Zimmer entlang des gesamten Rundgangs ist gut gelöst. Insgesamt stellt das Projekt einen wertvollen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar. Die präzise Auseinandersetzung mit der örtlichen Situation zeigt deutliche Qualitäten auf."